
MIV und Radverkehr: So sieht ein Miteinander im Straßenverkehr aus
Bremerhaven – eine Autostadt mit Potential zur Fahrradstadt.
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) dominiert in Bremerhaven das Straßenbild. Kein Wunder, dass Radfahrende sich im Alltag oft in der Defensive fühlen.
Häufig ist von gegenseitiger Rücksichtslosigkeit die Rede – auf beiden Seiten. Autofahrende beklagen regelwidriges Verhalten von Radfahrenden, während letztere sich über aggressive Überholmanöver, dichtes Auffahren oder das Zuparken von Radwegen ärgern.
Dabei ist klar: Im Straßenverkehr gelten für alle dieselben Regeln – mit besonderen Schutzrechten für die Schwächeren. Dieser Artikel gibt einen Überblick über Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen MIV und Radverkehr und will zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
Rechte und Pflichten des motorisierten Verkehrs gegenüber Radfahrenden
1. Überholabstand
Autofahrende müssen beim Überholen von Radfahrenden einen Mindestabstand einhalten – innerorts mindestens 1,5 Meter, außerorts mindestens 2 Meter. Dieser Abstand ist nicht optional, sondern gesetzlich vorgeschrieben (§ 5 StVO). Bei Gegenverkehr oder engem Raum darf nicht überholt werden.
2. Geschwindigkeit anpassen
Wer mit dem Auto unterwegs ist, muss seine Geschwindigkeit dem Verkehrsgeschehen anpassen – insbesondere, wenn Kinder, ältere Menschen oder unsichere Radfahrende unterwegs sind (§ 3 StVO). Rücksicht geht vor Zeitgewinn.
3. Radwege und Schutzstreifen freihalten
Das Halten oder Parken auf Radwegen, Schutzstreifen oder in Kreuzungsbereichen ist verboten. Es gefährdet Radfahrende massiv, zwingt sie zu riskanten Ausweichmanövern und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 12 StVO).
4. Beim Abbiegen aufpassen
Besondere Vorsicht gilt beim Abbiegen – geradeausfahrende Radfahrende haben Vorrang. Wer nach rechts abbiegt, muss Schulterblick und Spiegel nutzen, um Radfahrende nicht zu übersehen (§ 9 StVO).
Pflichten, aber auch Rechte: Was Radfahrende beachten müssen
1. Verkehrsregeln gelten auch für Radfahrende
Auch wer Rad fährt, muss Ampeln, Vorfahrtsregelungen und das Rechtsfahrgebot beachten. Rotlichtverstöße, Fahren in falscher Richtung auf Radwegen oder auf Gehwegen sind verboten und gefährlich – nicht nur für andere, sondern auch für Radfahrende selbst.
2. Sichtbarkeit und Ausstattung
Lichtanlage, Reflektoren und Klingel sind Pflicht. Wer in der Dämmerung oder nachts ohne Licht fährt, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch die eigene Sicherheit.
3. Kein Freifahrtschein
Auch wenn Radfahrende als schwächere Verkehrsteilnehmer besonderen Schutz genießen, entbindet sie das nicht von ihrer Sorgfaltspflicht. Kommunikation (z. B. durch Handzeichen), vorausschauendes Fahren und gegenseitige Rücksicht sind auch hier das A und O.
Fakten statt Vorurteile
In vielen Diskussionen wird behauptet, Radfahrende hielten sich grundsätzlich nicht an Regeln. Das Bild hält einer differenzierten Betrachtung jedoch nicht stand. Studien zeigen, dass Regelverstöße unter Autofahrenden statistisch häufiger vorkommen – mit deutlich schwereren Folgen. Allein das Falschparken auf Radwegen stellt in Städten wie Bremerhaven ein alltägliches Sicherheitsrisiko dar.
Radfahrende werden zudem sichtbarer, weil sie weniger geschützt und oft auf engem Raum unterwegs sind. Fehler fallen schneller auf – mitunter werden sie auch strenger beurteilt. Was dabei oft übersehen wird: Wer sich auf dem Fahrrad unsicher oder bedrängt fühlt, handelt manchmal aus Notwehr oder zur Gefahrenvermeidung.
Fazit: Rücksicht ist keine Einbahnstraße
Bremerhaven hat das Potenzial, eine fahrradfreundliche Stadt zu werden – doch dafür braucht es ein Miteinander auf Augenhöhe. Der motorisierte Verkehr trägt dabei eine besondere Verantwortung: Er ist schneller, schwerer und gefährlicher.
Gegenseitiger Respekt, klare Regeln und deren Durchsetzung sind die Basis für ein sicheres, gerechtes Miteinander im Verkehr. Nicht „die Radfahrenden“ oder „die Autofahrenden“ sind das Problem – sondern unser Umgang miteinander.